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Mineralisiert, carbonisiert, nass, trocken ...

Erfahrung mit unterschiedlichst erhaltenen Textilien

Textilien können die Zeiten aufgrund ganz unterschiedlicher Bedingungen überdauern. Moore und Abfallgruben erbringen oft gut erhaltene, großformatige Funde, während mineralisiertes Textil an Metall - Waffen, Kleidungsaccessoires usw. - häufig maximal wenige cm² misst, dafür aber oft in mehreren, ggf. unterschiedlichen Straten. Aus diesen beiden Gruppen stammt der größte Teil der bisher von mir untersuchten Fundstücke.

Mein Erfahrungsspektrum umfasst aber auch die Untersuchung von Textilien, die in der trockenen Luft großer Höhen erhalten blieben, solcher aus Unterwassergrabungen - insbesondere Kalfat - sowie carbonisierten Materials. Schließlich gehören auch Abdrücke von Geweben dazu.

Aus tierischen und pflanzlichen Fasern geflochtenes Bändchen aus Chania, Kreta, Bronzezeit; carbonisiert

Spektrum an Erhaltungszuständen

Das zeitliche und räumliche Spektrum

Erfahrung mit Funden verschiedenster Herkunft

Der chronologische Bogen spannt sich von der Bronzezeit bis zur frühen Neuzeit, mit dem Schwerpunkt von der Römischen Kaiserzeit bis zum Ende des Mittelalters.

Räumlich gesehen, stammt der größte Teil der bisher von mir bearbeiteten Textilien aus Norddeutschland (v.a. Niedersachsen und Schleswig-Holstein) und Nordeuropa (v.a. Dänemark, Norwegen und Island). Aber auch Funde aus anderen Teilen Deutschlands, dem Baltikum, Kreta, Türkei, Jordanien und insbesondere aus Nepal habe ich untersucht und wissenschaftlich eingeordnet.

Täschchen aus der Grabhöhle Mebrak 63, Nepal; Baumwolle mit Resten wollener Stickerei, gefertigt zwischen ca. 500 v.Chr. und der Zeitenwende

Zeitliches und räumliches Spektrum

Ein paar Ergebnisse...

Beispielsweise Moorfunde

Bei der Untersuchung der großen Textilensembles aus den kaiserzeitlichen Opfermooren Thorsberg in Schleswig-Holstein, Nydam, Vimose und Illerup Ådal in Dänemark stand u.a. die Rolle der Textilien bei den Ritualen nach den Schlachten im Vordergrund. In der Summe zeigen die Ergebnisse, dass es sich zumeist um hochwertige Kleidungsstücke der Besiegten handelte, denen ein vergleichbarer Wert wie den Waffen beigemessen wurde. So wurden sie wie jene z.T. rituell zerstört, dann aber sehr sorgfältig für die Niederlegung vorbereitet (2011).

Die Beziehungen des Mannes von Obenaltendorf in Niedersachsen, einer Moorleiche aus der zweiten Hälfte der Römischen Kaiserzeit, reichten - den textilarchäologischen Ergebnissen zufolge - nach Südeuropa, wahrscheinlich Italien – ein mögliches Beispiel eines Germanen, der sich zeitweilig im Kernland des Römischen Reiches aufhielt (2013 c).

Einer der sog. Prachtmäntel aus dem Opfermoor von Thorsberg in Schleswig-Holstein, Römische Kaiserzeit

Spektrum an Erhaltungszuständen

Einige weitere Erkenntnisse

Zum Beispiel Funde aus Gräbern

Die Stoffe und Fellkleidungsstücke aus der Grabhöhle Mebrak 63 in Nepal erbrachten eine Vielfalt an Materialien und Herstellungstechniken, die sowohl nach Indien als auch nach Innerasien weist und das aus europäischen Quellen des 5. bis 1. Jahrhunderts v.Chr. bekannte Spektrum übertrifft.

An dem sächsischen Gräberfeld von Liebenau, Niedersachsen, ließ sich u.a. zeigen, dass man Leichentücher alternativ zu Holzsärgen benutzte (2005 a).

Mineralisierter Köper aus einem Brandschüttungsgrab vom Gräberfeld Berezovka (Groß Ottenhagen), 70 - 150 n.Chr.

Zeitliches und räumliches Spektrum

Und noch etwas mehr...

Beispiele aus Siedlungskontexten

Ausgehend von kalfatartig verwendeten Geweberesten in den Dachstühlen mittelalterlicher Kirchen Norwegens, erbrachte die eingehende Beschäftigung mit wollenen Segeln u.a. die Erkenntnis, dass sich die oft genannten Streifen der Segel der Wikinger nicht auf breite Stoffbahnen unterschiedlicher Färbung beziehen dürften, sondern auf schmale, farblich auffällig abgesetzte Stoffstreifen zur Verstärkung der Nähte (2002 b).

Als letztes Beispiel sei ein besonderer Textiltypus erwähnt, die „groben Zwirngewebe“. Diese speziellen Gewebe aus dem Mittelalter sind aus zahlreichen Fundplätzen im Nord- und Ostseeraum und teils weit darüber hinaus überliefert. Für sie ist die primäre Nutzung als Einschlagtücher für norwegischen Stockfisch sehr wahrscheinlich (2002 b).

Spätmittelalterliches "grobes Zwirngewebe" aus der Wüstung Nygenstad an der Elbe, Schleswig-Holstein; häufig wurde für Textilien dieses Typs Ziegenhaar genutzt, manchmal Rinderhaar oder - wie hier - Schafwolle

Spektrum an Erhaltungszuständen
Textilarchäologie

Fäden knüpfen zwischen Funden und vergangenen Welten

Dr. Susan Möller-Wiering

Rsvp